Berliner Testament: Welche Auswirkungen hat eine Schlusserbeneinsetzung für den Fall des „gleichzeitigen Ablebens“?

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Das sog. „Berliner Testament“ ist eine für Ehegatten beliebte Art den eigenen Nachlass zu regeln. Üblicherweise wird -abweichend von der gesetzlichen Erbfolge- verfügt, dass im Falle des Ablebens eines Ehegatten, zunächst der jeweils andere Ehegatte das gesamte Vermögen erhalten soll und erst nach dessen Ableben die sog. Schlusserben, meist die Kinder der Ehegatten.

Nicht unüblich ist es in dieser Konstellation auch, dass Ehegatten eine Anordnung über die Erbfolge für den unglücklichen Fall treffen, dass beide Ehegatte, z.B. durch einen Unfall, gleichzeitig versterben. Wie weitreichend kann eine Anordnung über den Fall des gemeinsamen Ablebens jedoch sein? Können Schlusserben, die für den tragischen Fall des gemeinsamen Ablebens eingesetzt wurden auch „reguläre“ Schlusserben werden? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Frankfurt und letzten Endes auch der BGH zu befassen.

Der Sachverhalt

In dem oben bereits angesprochenen Fall hatten sich kinderlose Ehegatten in einem Berliner Testament aus dem Jahre 2002 wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Im Jahre 2012 erweiterten die Ehegatten ihr gemeinsames Testament noch um folgenden Zusatz

Für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens ergänzen wir unser Testament wie folgt:
Das Erbteil soll gleichmäßig unter unseren Neffen bzw. Nichte (es folgen vier Namen) aufgeteilt werden.“

Im Frühjahr 2015 verstarb zunächst der Ehemann. Im Sommer 2016 schließlich auch die Ehefrau.

Nach deren Ableben beantragen die Neffen und die Nichte, die in dem 2012 ergänzten Zusatz als Schlusserben eingesetzt waren, einen Erbschein, der vom Nachlassgericht auch erteilt wurde.

Auf die Beschwerde der Cousine der Erblasserin wurde dieser Erbschein wieder eingezogen – zu Recht beschoss in letzter Instanz schließlich auch der BGH.

Zusatz nicht als allgemeinverbindliche Schlusserbeneinsetzung zu sehen

Sowohl das OLG Frankfurt als auch der BGH teilten insoweit die Ansicht der Cousine der Ehefrau, wonach der im Jahre 2012 ergänzte Zusatz zum Testament keine allgemeinverbindliche Schlusserbeneinsetzung darstellen soll, sondern lediglich für den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Ehegatten gelten soll.

Nach treffender Auffassung der zuständigen Gerichte ist die Frage, ob die Schlusserbeneinsetzung zugunsten der Neffen und Nichte auch für den Fall gelten soll, dass die Ehegatten nacheinander versterben auslegungsbedürftig.

Im Rahmen dieser Auslegung des Testaments hatten die Gerichte also den Willen der Erblasser zu erforschen. Im Mittelpunkt kam es also auf die Frage an, ob es aufgrund der Formulierung Hinweise dafür gibt, dass die Ehegatten die Neffen bzw. Nichte in jedem Fall zu Schlusserben bestimmen wollen, oder ob diese Anordnung nur für den Fall greift, dass die Ehegatten gleichzeitig versterben.

Entsprechender Wille der Ehegatten wurde nicht im Testament angedeutet

Sowohl das OLG Frankfurt als auch der BGH kamen nach eingehender Überprüfung zu dem Ergebnis, dass das gemeinsame Testament der Ehegatten keinen Hinweis darauf zu entnehmen sei, dass die Schlusserbeneinsetzung der Neffen und Nichte auch für den Fall gelten soll, dass die Eheleute mit deutlichem zeitlichen Abstand versterben. Auch die zeitliche Spanne zwischen Errichtung des Berliner Testaments und des Zusatzes lassen nach Auffassung der Richter einen solchen Rückschluss nicht zu.

Auch Andeutungstheorie nicht anwendbar

Auch die sog. Andeutungstheorie, wonach es im Rahmen der Testamentsauslegung ausreichen soll, wenn sich die generelle Willensrichtung aus dem Wortlaut herleiten lasse, sei nach Auffassung der Gerichte nicht anwendbar.

Selbst wenn entsprechende E-Mail-Nachrichten des Ehegatten an die Neffen und Nichte dahingehend ausgelegt werden könnten, so würde dies jedenfalls den Formerfordernissen nicht genügen.

So argumentierten die Richter, dass der als Ergebnis der Testamentsauslegung „wirkliche Wille“ im Testament angedeutet sein muss, um formwirksam erklärt worden zu sein. Die zusätzliche Vorlage von E-Mails genügt also nicht.

Fazit

Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass sich Erblasser bei der Errichtung ihres Testaments genau überlegen sollten, welches Ziel sie mit ihrem Testament erreichen möchten. Noch deutlicher zeigt dieser Fall, dass es durchaus Sinn macht, bereits errichtete Testamente in regelmäßigen Abständen inhaltlich zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen, ob die einst getroffenen Verfügungen noch immer dem Willen entsprechen.

In dem vorliegenden Fall gab es durchaus Indizien, die dafür sprechen, dass die Eheleute ihre Neffen und Nichte zu generellen Schlusserben einsetzen wollten. Allerdings haben sie es verpasst, diesen Willen auch in rechtssichere Formen zu gießen. In Konsequenz gehen die Neffen und Nichte nicht nur leer aus, sondern sehen sich auch mit erheblichen Rechtsverfolgungskosten konfrontiert, die jedenfalls in diesem Fall in fünfstelliger Höhe angefallen sein dürften.

Auch wenn die Errichtung eines Testaments und Nachlassplanung zugegebenermaßen gerade in jungen Jahren befremdlich erscheint und die für Rechtsberatung anfallenden Kosten auf den ersten Blick hoch erscheinen: Wer seinen Angehörigen viel Ärger und nervenaufreibende und kostenintensive Gerichtsstreitigkeiten ersparen will, geht die Nachlassplanung umsichtig und gewissenhaft an.

Bei Fragen zum Thema oder bereits eingetretenen erbrechtlichen Streitigkeiten stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.